Im Berner Oberland steht man beim Wandern nicht nur immer wieder vor gewaltigen Bergkulissen, sondern fühlt sich zuweilen auch dem Himmel ganz nahe. Je höher man den steilen Talwänden im Wildstrubel- oder Jungfrau-Gebiet emporsteigst, desto beeindruckender präsentiert sich der gigantische Alpenriegel mit seinen Bergmassiven und weissen Gipfeln. Hier ist der Mensch ob der urtümlichen Kraft der Landschaft ganz klein – ob unten am Ufer eines wilden und lauten Alpenbachs oder hoch oben am Felsen zwischen blühender Alpmatte und stürmischem Wolkenwind.
Von Eggeschwand auf Sonnbüel und zurück übers Gastertal / Oktober 2024. Die Tour von der Seilbahn-Talstation Eggeschwand auf Sonnbüel und die Winteregg hinauf und hinunter übers Gastertal zurück zum Ausgangspunkt erfordert etwas Ausdauer und Trittsicherheit. Zuerst gilt es, 600 Höhenmeter zu überwinden – mit einem gut zweistündigen Marsch auf einem gut ausgebauten Wanderweg westlich der Seilbahn, durch einen wilden Berg-Bannwald bis unterhalb der Bergstation. Dort öffnet sich die Weite der Spittelmatte, einem alpinen Hochtal mit Blick Richtung Gemmipass. Unsere Tour zweigt jedoch etwa einen Kilometer später Richtung Osten ins Schwarzbachtal ab. Bald führt der Pfad steil eine Schlucht hinunter zum reissenden, wilden Schwarzbach, steigt dann wieder an und leitet die Wanderer auf einem schmalen Weg zwischen dem Abgrund zum Bach und steil aufragenden Felsflanken bis zum Gurnigel. Von hier aus geht es im Zickzack durch den Bergwald zum Gastereholz. Ab hier verläuft der Weg entlang der Kander durch das magisch-schöne Gasterntal bis zur Chulse, einer tiefen Schlucht, durch die sich der Fluss seinen Weg hinunter nach Eggeschwand bahnt. Der Wanderweg folgt ihm, eng angeschmiegt an die Felswände und begleitet vom Donner der stürzenden Wassermassen – ein grossartiges Ende für eine lohnenswerte Wanderung.
Von Mürren zur Rotstockhütte und zurück / Oktober 2024. Das Gefühl, das einen durchdringt, wenn man oberhalb des Lauterbrunnentals wandern geht, ist stets überwältigend: Die Szenerie ist so gewaltig, dass man sich als Mensch ganz klein fühlt. So ergeht es einem auch, wenn man nach der Fahrt mit der Luftseilbahn von Stechelberg nach Mürren den Weg zur Rotstockhütte unter die Füsse nimmt. Die Giganten Eiger, Mönch und Jungfrau begleiten einen auf der rund elf Kilometer langen Wanderung unaufhörlich. Zuerst führt der Weg durch liebliche Bergwälder und Alpweiden bis ins Schilttal. Von dort geht es steil im Zickzack über den Spillboden hinauf auf 2000 Meter, bis zum Fuss des Bryndli. Anschliessend folgt ein langer, leicht ansteigender Pfad entlang der Seflina-Flanke bis zur Rotstockhütte, wo man müde genug ist, um eine Pause bei Speis und Trank einzulegen. Der Abstieg verläuft dann einige hundert Meter über dem Sefibach bis hinunter ins Selfinental. Dort führt der Weg zunächst zwischen steilen, schroffen Felsen auf der linken Seite und der wilden Sefi-Litschena auf der rechten Seite durch dichten Bergwald in Richtung Gimmelwald. Später weicht der Wald grünen Wiesen und Weiden, bis man schließlich das Dorf erreicht, das sich schmuck und herausgeputzt den internationalen Touristen präsentiert.
Rund um die Grossi Nüneneflue / September 2024. Das Gantrisch-Gebiet ist fürs Wandern immer gut: nicht weit weg von der Stadt und nicht schon im Hochgebirge, sondern etwas dazwischen. Das gilt etwa auch für diese rund sechs Kilometer lange Halbtagstour mit einem Höhenunterschied von rund 400 Meter: Sie startet beim Parkplatz oberhalb Wasserscheidi und führt an der Alphütte Obernünenen vorbei bis zum Leiterepass, begleitet von einer herrlichen Aussicht über das westlich Mittelland und hinüber zum Jura. Auf dem Grad dann der überwältigende Blick auf die Bergwelt des Berner Oberlandes. Weiter geht es der Flanke des Grossi Nüneneflue entlang erst etwas abwärts und dann wieder aufwärts zu Schwalmere, wo es dann hinunter über die Alp Gustiberg und durch den Bergwald des Gryrisbergs zurück zur Alp Obernünenen und hinunter zu Wasserscheidi geht.
Im Gasterntal ob Kandersteg / Juli 2024: Die Zufahrt ist abenteuerlich: Ein schmaler, kurvenreicher Fahrweg mit zwei in den Felsen geschlagenen Tunneln führt ab dem Laufkraftwerk Eggeschwand südöstlich von Kandersteg eine wilde Schlucht hinauf, wo sich auf 1300 Metern über Meer ein von steilen Felswänden eingerahmter Talkessel öffnet. Naturbelassenheit und die ungezähmt mäandrierende Kander prägen das Tal. Einsam allerdings ist es nicht: Das Tal verfügt über einige Restaurants mit Übernachtungsmöglichkeiten. Die rund sechs Kilometer lange Rundwanderung führt vom Restaurant Steinbock in Selden die Kander hinauf über blühende Bergwiesen, Schneefelder, Geröllhalden und durch schattlige Wäldchen bis zur zweiten Brücke auf 1726 Metern Höhe, wo es dann auf der anderen Talseite wieder hinunter geht. Von hier aus kann man aber auch auf einem steilen Gebirgspfad hinauf zur Schafgrinde auf 2400 Meter gelangen. Welchen Weg man auch immer wählt: Das Tal ist von beeindruckender Schönheit. Wer einmal dort war, wird wiederkommen, zumal es auch einen Wanderweg ins Wallis gibt. Das Wandererlebnis ist also garantiert.
Fotos: Rolf Stucki/Bern
Von Wasserscheidi über Chrummfadeflue und Langeneggspitz und zurück / Juni 2024: Wandern im Gantrisch-Gebiet ist immer spannend und abwechslungsreich. Das gilt auch für diese rund zehn Kilometer lange Rundtour mit einer reinen Wanderzeit von rund viereinhalb Stunden. Was diese Tour vor allem bietet, sind herrliche Ausblicke nach Süden, Osten und Norden. Erstmals ist dies nach dem Aufstieg zum Leiterepass der Fall: Hier erstreckt sich der Blick nach Norden weit übers Mittelland bis hin zum Jura. Dreht man sich um, hat man den Alpenriegel in seiner ganzen Pracht und mit seinen Schneegipfeln vor sich. Dieses Panorama begleitet uns entlang der gesamten Chrummfadeflue bis zum Homadsattel, wo sich die Aussicht auf den Homad, den Birespitz und den Langeneggspitz eröffnet. Beim Lägerlistand dann der Blick auf Thun und den Thunersee und weit ins Emmental hinein. Ab hier folgt der Abstieg bis nach Oberwirtnere, wo das Gebirge übergeht in saftige Bergweiden und ein flacher Weg zurückführt zur Wasserscheidi.
Vom Grimsel-Summerloch zur Lauteraarhütte / Juni 2023: Das ist kein Spaziergang! Das sind vielmehr zwanzig Kilometer anspruchsvolles Bergwandern, wenn man gleichentags vom Summerloch bis hinauf zur SAC-Lauteraarhütte will und dann wieder zurück. Entlohnt wird man mit einer überwältigenden und faszinierenden hochalpinen Szenerie. Nach dem Aufstieg rechts neben der Staumauer geht es durch einen 200 Meter langen Tunnel und weiter über einen schmalen, in den Felsen gehauenen Pfad entlang dem tief unten liegenden Grimselsee. Kilometerlang führt der steinige Weg auf und ab, vorbei an Wasserfällen und steilen Hängen mit Arven, Enzian und Alpenrosen und weiter bis hinunter zum Ende des Sees, wo der Unteraargletscher weint und sich seine Tränen zum reissenden Fluss vereinen. Gigantisch sind die Ausmasse der Eismassen; und doch so kläglich ausgeliefert sind sie dem Klimawandel. Der Anblick auf das schwindende Eis beim Aufstieg durchs grobe Geröll hinauf zur SAC-Hütte stimmt traurig und lässt die Beine erst recht schwerer werden. Umso grösser ist die Freude, wenn die Hütte unvermittelt auftaucht und zur Rast einlädt – umringt von Gebirgsgiganten namens Oberaarhorn, Finsteraarhorn und Lauteraarhorn.
Bilder: Denisse Barreto
Von Schwendi (unterhalb Gademen) zur Triftbrücke / Oktober 2022. Fast alles an dieser Wanderung ist etwas schwindelerregend. Das beginnt schon mit der Fahrt in der Bergbahn von Schwendi zur Bergstation Underi Trift: Als Passagier hat man eher den Eindruck, mit einem Ballon weit über der steilen, tiefen und dunklen Triftwasserschlucht zu fliegen, statt in einer Gondel zu sitzen. Von der Bergstation aus geht es dann weiter durch eine kräftezehrende, ruppige und ungeschliffene Stein- und Felslandschaft, welcher man ansieht, dass hier vor nur wenigen Jahrzehnten noch schweres Gletschereis lag. Schwindelerregend wird es dann nochmals beim Gang über die Triftbrücke, die weit über den Staudamm hinwegführt. Da gibt es nur eines: Den Blick auf das Brückenende zu fixieren und auf keinen Fall in die fürchterlich tiefe Schlucht hinabzublicken. Ist das geschafft, geht es hinauf zur Windegghütte, die mit einer reichhaltigen Speisekarte lockt. Doch um da raufzukommen, muss man mehr als nur trittsicher sein. Zum Glück sind überall Ketten fixiert, um die Passagen in den felsigen Abhängen bewältigen zu können. Umso grösser ist – endlich oben angekommen — der Appetit.
Rund um den Grimselpass / Oktober 2022: Die Touristiker wissen, weshalb sie nicht vom Grimselpass, sondern von der „Grimselwelt“ sprechen. Denn was wir hier vorfinden, ist – überspitzt formuliert – ein hochalpiner Cyborg. Ein Stück Alpen, das sich der Mensch mit Technik und Ingenieurgeist zur Energiegewinnung untertan gemacht hat. Alle grösseren Seen sind Stauseen. Das Gebiet ist durchzogen von jener eindrucksvollen Infrastruktur, die die alpine Stromproduktion erfordert: Staudämme, Turbinen- und Maschinenwerke, Seil- und Gondelbahnen, unterirdische Tunnels und Wartungsstollen. Doch angesichts der sie umgebenden atemberaubenden, wilden, schroffen und gleichwohl majestätischen Alpenwelt mit ihren Gletschern und Dreitausender bleiben die Bauwerke doch nur seltsam kleines Menschenwerk. Und das macht das Bergwandern hier reizvoll …
… zum Beispiel rund um den Gelmersee. Nach einem einstündigen Aufstieg ab Chuenzentennlen öffnet sich eine weite Wasserfläche, flankiert von alpiner Vegetation und steilen Berghängen. Der Pfad scheint zunächst ein einfacher zu sein, entpuppt sich dann allerdings als anspruchsvoll, erfordert er doch Trittfestigkeit und hie und da auch Schwindelfreiheit. Doch die Landschaft entlöhnt einen dafür …
Von Grimmialp zur Alp Grimmi / September 2022. Die Schweiz ist ein Land der Alpwirtschaft. Und die Alp Grimmi im hinteren Diemtigtal ist genau das, was man sich darunter vorstellt: friedlich grassende Kühe auf saftigen Bergwiesen in einer lieblichen Berglandschaft. Und was nicht fehlen darf: die Alphütte, die für die Wanderer eine grosse Holzscheibe mit Speck, Käse und Brot bereithält. Das macht die gemütliche Rundwanderung über die Nidegg, hinauf auf die Grimmi und zurück auf der Westflanke des Bergtals lohnenswert – erst recht, wenn man mit ein paar guten Kolleginnen und Kollegen unterwegs ist.
Von der Iffigenalp zur Wildstrubelhütte / August 2022. Diese Wanderung geht in die Beine. Während fast vier Stunden geht es nur in eine Richtung: ununterbrochen aufwärts. 1200 Höhenmeter sind zu überwinden. Erst führen unzählige Serpentinen bis zum Fuss hochragender Felswände, in denen der Weg in den Stein geschlagen worden ist. Auf der einen Seite geht es steil hoch, auf der anderen tief runter. Ein bisschen schwindelfrei muss man sein. Weiter führt der Weg dann über weite und steile Geröllhalden und Felspartien bis zur Wildstrubelhütte, wo man belohnt wird mit Rösti und Spiegelei sowie mit einer herrlichen Aussicht und mit einem Blick auf die zivile und militärische Luftüberwachungsstation auf dem Weisshorn, die aussieht wie eine futuristische Station auf dem Mars.
Von der Engstligenalp zum Tschingellochtighorn / August 2022. „Das Massiv erinnert an eine Postkartenansicht aus dem amerikanischen Monument Valley“, schreiben Jochen Ihle und Toni Kaiser in ihrem Führer zu den „99 schönsten Rundtouren in der Schweiz“. Und in der Tat: Der Vergleich passt. Das Horn ist eindrücklich – aber auch die Wanderung dorthin. Die Engstligenalp liegt wie eine kleine Hochebene mitten im Hochgebirge. Und je höher man steigt, desto märchenhafter erscheint die von Gesteinsmassiven umrahme Weidefläche. Spektakulär wird es, wenn man unterhalb des Chindbettihorn über Schiefer und Gesteinswüste auf dem Gratweg Richtung „Monument Valley“ schreitet. Die Aussicht auf dem Grat lässt sich nicht in Fotos bannen. Man muss es mit eigenen Augen sehen, um die Erhabenheit der gewaltigen Gebirge tief in sich zu fühlen.
Vom Hilferenpass auf die Schrattenfluh/Juli 2022: Der Name des Gebirgsstocks im Süden des Kantons Luzern im Grenzgebiet zum Berner Oberland könnte aus einer Fantasy-Serie von Netflix stammen: Schrattenfluh. Er verheisst Wildes und Geheimnisvolles. Der Weg hinauf vom Hilferenpass zu dieser sechs Kilometer langen Bergkette ist anfangs sanft aufsteigend, dann aber anhaltend steil. Je höher man die Bergflanke erklimmt, desto eindrücklicher präsentiert sich die Felsformation – wie eine von Riesen erbaute zinnenbewehrte gewaltige Mauer. Oben angekommen der zweite Blickfang: ein weitläufiges Karstfeld mit karger Vegetation und Blöcken, Türmen und eigentümlichen Rillen — als ob Karren tiefe Furchen in den Felsen gegraben hätte.
Von Rosenlaui zur Engelhornhütte/Juni 2022: Die Wanderung beginnt beim romantischen Hotel Rosenlaui, wo einst auch schon Goethe, Tolstoj und Nietsche zu Gast waren, führt durch die Gletscherschlucht, wo sich der Rychenbach mit Wucht seinen Weg bahnt, und weiter hinauf zur Engelhornhütte, die sich schutzsuchend am felsigen Fuss des Grossen Engelhorn schmiegt. Eine Wanderung der Vielfalt mit vielen Aus‑, Durch- und Weitblicken.
Von Schwefelbergbad auf den Ochsen/Juni 2022: Auch hier ist der Ausgangspunkt ein altes Hotel, allerdings verlassen und im Dornröschenschlaf. Der Weg geht sogleich steil hinauf mit Blick über das Schwarzburgerland und dem Tal der Gantrischsense, weiter über den Louisgrat, wo der Wind an Hemd und Hut zerrt, sowie über die liebliche Alpiglegalm, und dann schliesslich hinauf auf den Ochsen, dem Bruder des Gantrisch, die zusammen gleichsam einen Vorposten des Alpenriegels bilden.
Im Gasterntal ob Kandersteg / Juli 2024: Die Zufahrt ist abenteuerlich: Ein schmaler, kurvenreicher Fahrweg mit zwei in den Felsen geschlagenen Tunneln führt ab dem Laufkraftwerk Eggeschwand südöstlich von Kandersteg eine wilde Schlucht hinauf, wo sich auf 1300 Metern über Meer ein von steilen Felswänden eingerahmter Talkessel öffnet. Naturbelassenheit und die ungezähmt mäandrierende Kander prägen das Tal. Einsam allerdings ist es nicht: Das Tal verfügt über einige Restaurants mit Übernachtungsmöglichkeiten. Die rund sechs Kilometer lange Rundwanderung führt vom Restaurant Steinbock in Selden die Kander hinauf über blühende Bergwiesen, Schneefelder, Geröllhalden und durch schattlige Wäldchen bis zur zweiten Brücke auf 1726 Metern Höhe, wo es dann auf der anderen Talseite wieder hinunter geht. Von hier aus kann man aber auch auf einem steilen Gebirgspfad hinauf zur Schafgrinde auf 2400 Meter gelangen. Welchen Weg man auch immer wählt: Das Tal ist von beeindruckender Schönheit. Wer einmal dort war, wird wiederkommen, zumal es auch einen Wanderweg ins Wallis gibt. Das Wandererlebnis ist also garantiert.
Fotos: Rolf Stucki/Bern