Hän­de weg von den Renten!

Nein, das war nicht bloss ein Schuss vor den Bug der Bür­ger­li­chen – das war ein Voll­tref­fer gegen ihre gesam­te Ren­ten­ab­bau-Poli­tik. Nach­dem die Par­tei­en von GLP bis SVP bereits bei der 13. AHV-Ren­te von einem beträcht­li­chen Teil ihrer eige­nen Wäh­ler­schaft abge­straft wor­den waren, erlei­den sie nun mit dem haus­ho­hen Nein zur BVG-Revi­si­on ein wah­res Water­loo. Die Bot­schaft der Stimm­be­rech­tig­ten ist glas­klar: Hän­de weg von unse­ren Ren­ten! Punkt!

Das Ver­dikt ist zunächst eine Absa­ge an die Austeri­täts­po­li­tik der bür­ger­li­chen Mehr­heit. Die­se zielt immer drei­ster dar­auf ab, die brei­te Bevöl­ke­rung und ins­be­son­de­re die Mit­tel­schicht zu schröp­fen und ihr alle Lasten auf­zu­bür­den, wäh­rend Kon­zer­ne und Ver­mö­gen­de geschont wer­den. Das haben die Men­schen rea­li­siert – und ver­stan­den, dass hier ein Ren­ten­ab­bau zur Debat­te stand, der erstens ange­sichts eines BVG-Ges­samt­ka­pi­tals von 1’300 Mil­li­ar­den nicht nötig ist und der zwei­tens vor allem die Beschäf­tig­ten mit nor­ma­len Löh­nen mas­siv benach­tei­ligt hät­te. Mit ihrem Nein haben sie deut­lich gemacht, dass sie nicht gewillt sind, auf ihren gerech­ten Anteil am Wohl­stand des Lan­des zu ver­zich­ten. Und zu die­sem Anteil gehört ins­be­son­de­re eine Alters­vor­sor­ge mit siche­ren und anstän­di­gen Renten.

Der Ent­scheid ist sodann die Quit­tung für die Kom­pro­miss­lo­sig­keit der Bür­ger­li­chen. Mit einer Arro­ganz son­der­glei­chen ver­wei­ger­ten sie die Zusam­men­ar­beit mit der Lin­ken, scho­ben den fein aus­ta­rier­ten Sozi­al­part­ner-Kom­pro­miss schnö­de bei­sei­te und ver­ab­schie­de­ten eine BVG-Vor­la­ge, die aus der Feder der Finanz­bran­che stamm­te und ein­zig deren Geschäfts­in­ter­es­sen dien­te. Sel­ten zuvor hat sich die bür­ger­li­che Par­la­ments­mehr­heit der­art unver­fro­ren über das Gemein­wohl hin­weg­ge­setzt und sich ein­sei­tig auf die Sei­te von Ban­ken, Ver­si­che­run­gen und Hedge­fonds geschlagen.

Schliess­lich macht der Aus­gang der Abstim­mung klar, dass es künf­tig kei­ne Ren­ten­po­li­tik ohne Gewerk­schaf­ten und Sozi­al­de­mo­kra­tie geben wird. Mögen die Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer tra­di­tio­nell bür­ger­lich wäh­len: Wenn es um die Ren­ten geht, haben die bür­ger­li­chen Par­tei­en ihre Glaub­wür­dig­keit defi­ni­tiv ver­spielt. Vie­le Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler rechts der Mit­te ver­trau­en in die­ser Fra­ge lie­ber den Gewerk­schaf­ten und der Sozi­al­de­mo­kra­tie als ihrem eige­nen Lager. Damit geht die Lin­ke nach ihrer knap­pen Nie­der­la­ge zum Frau­en­ren­ten­al­ter gestärkt aus dem Kampf um die Alters­vor­sor­ge her­vor und ver­fügt nun wie­der über eine Veto­macht in der Rentenpolitik.

Dar­um tun die Bür­ger­li­chen gut dar­an, die Fak­ten in Sachen Ren­ten anzu­er­ken­nen. Dazu gehört im BVG, dass die Pen­si­ons­kas­sen seit dem Ende der Nied­rig­zins­pha­se finan­zi­ell bestens auf­ge­stellt sind und es daher auch kei­ne Sanie­rung braucht. Die Eck­punk­te eines Neu­an­laufs müs­sen daher lau­ten: einer­seits Mass­nah­men gegen die Abzocke­rei der Finanz­bran­che, ande­rer­seits Ren­ten­er­hö­hun­gen anstel­le von Ren­ten­kür­zun­gen, eine nach­hal­ti­ge Bes­ser­stel­lung der Frau­en und der Gering­ver­die­nen­den und die Rea­li­sie­rung eines sozia­len Aus­gleichs, indem die hohen Ein­kom­men zur Mit­fi­nan­zie­rung der Ren­ten im Tief­lohn­seg­ment her­an­ge­zo­gen werden.

Mit Blick auf die AHV stün­de es den Bür­ger­li­chen zudem gut an, das Ja zur 13. AHV-Ren­te nicht län­ger zu hin­ter­trei­ben, son­dern den Volks­wil­len zu respek­tie­ren. Das bedeu­tet: Eine Finan­zie­rung über die unso­zia­le Mehr­wert­steu­er kommt eben­so wenig in Fra­ge wie eine Kür­zung des AHV-Bun­des­bei­trags. Statt­des­sen sind die Lohn­bei­trä­ge anzu­pas­sen sowie der Bun­des­zu­schuss zu erhö­hen, wie es in der Bun­des­ver­fas­sung expli­zit vor­ge­se­hen ist.

Das sind die tat­säch­li­chen Erfor­der­nis­se in der Alters­vor­sor­ge. Die­se gilt es nun nach den kla­ren Ver­dik­ten zu BVG und AHV anzu­packen. Sich dem zu ver­wei­gern, wäre zutiefst unde­mo­kra­tisch und wider­sprä­che den Inter­es­sen der brei­ten Bevöl­ke­rung. Die bür­ger­li­che Par­la­ments­mehr­heit hat daher nun die Wahl: Will sie Poli­tik für oder gegen das Volk machen?

Text und Bild: Wal­ter Langenegger

ange­sichts

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