Welche Strasse nimmt man, wenn man vom bekannten Ski- und Weltcup-Ort Kranjska Gora in Slowenien nach Italien und weiter Richtung Süden fahren will? Am besten jene Richtung Westen über die Grenze ins Kanaltal nach Tarvis und von dort weiter über den Canal del Ferro nach Carnia und weiter nach Udine. Das geht schnell, eine knappe Stunde.
Juni 2024. Allerdings gibt es auch noch einen anderen, längeren, aber viel interessanteren Weg – und zwar durch eine einst militärisch heftig umkämpfte, wildromantische und heute etwas vergessene Gegend mit dichten Bergwäldern, tiefen Schluchten und steilen Gebirgshängen. Dieser Weg beginnt mit der kurvenreichen Straße hinauf zum Vršič-Pass, mit Blick auf den Triglav, dem höchsten Gebirge in dieser Region und Namensgeber des einzigen Nationalparks Sloweniens, 84.000 Hektar groß und im Dreieck zwischen Italien und Österreich gelegen. Gebaut wurde die Passstrasse von russischen Kriegsgefangenen in den Jahren 1915 bis 1916 als Militärstrasse und diente als Nachschubverbindung für die Offensiven von Österreich-Ungarn und Deutschland gegen Italien. Heute ist der Pass vor allem Ausgangspunkt gut ausgebauter Wanderwege in alle Richtungen in diesem Teil der Julischen Alpen.
Weiter führt die Strasse durch schmale Täler und hohe Gipfel bis nach Bovec, heute ein Wintersportort. Ab hier geht es wieder Richtung Norden, hinauf zum Predil-Pass, wo die heutige Grenze zwischen Italien und Slowenien verläuft. Alte militärische Festungen säumen den Weg zum Pass und zeugen von Kriegen und Schlagen, so Anfang des 18. Jahrhunderts, als hier österreichische und französische Truppen aufeinander stiessen. Denkmäler und Gedenktafeln erinnern heute noch daran.
Am Fusse des Passes auf der italienischen Seite liegt die Cave del Predil. Seit dem Mittelalter wurden hier Blei und Zink abgebaut, bis das Bergwerk 1990 geschlossen wurde und der Ort verwaiste. Interessant ist er gleichwohl. Beispielsweise führt hier ein aus österreichischer Zeit stammender Stollen unter dem Predilpass hindurch. Im Ersten Weltkrieg diente er zur Versorgung der Isonzo-Front.
Aber nicht nur dies: Die österreichisch-italienische Front im Ersten Weltkrieg war hier ganz nah, nämlich auf dem Neveapass. Dieser liegt einige Kilometer oberhalb des Lago del Predil. Hier gruben sich die Italiener ein, ihnen gegenüber lag die Raibler Seefront. Zwar gelang es den Österreichern Ende 1917, die Stellungen zu überrennen, doch nach ihrer Kriegsniederlage mussten sie das Gebiet wieder räumen und der Neveapass wurde als Teil der Gemeinde Tarvis italienisches Staatsgebiet.
Heute ist der Neveasattel ein Skiort – eine Ansammlung von überdimensionierten und etwas hintergekommenen Hotelkomplexen, die unvermittelt aus dem Bergwald emporragen. Von hier aus geht es schliesslich wieder hinunter nach Chiusaforte im Canal del Ferro. Oder Cjanâl dal Fier, wie es auf Friulanisch heißt, einer rätoromanischen Sprache mit Wurzeln im alten keltischen Stamm der Karner.