
Mit der Adria assoziiert man in der Regel die Ostküste Italiens mit Städten wie Venedig, Rimini, Ancona und Bari. Aber es gibt freilich auch noch eine andere Adria-Küste, nämlich jene auf dem gegenüberliegenden Ufer des südwestlichen Balkans mit den Ländern Kroatien, Montenegro und Albanien. Ein etwas ungeordneter Augenschein.
April 2025. Nach dem Weltkrieg bis in die 90er-Jahre war der Westbalkan von Slowenien bis Mazedonien Teil des Eisernen Vorhanges und damit über lange Zeit eine Terra incognita. Inzwischen ist das Geschichte. Insbesondere Slowenien und Kroatien haben das kommunistische Erbe abgeschüttelt und sind heute beliebte Ferienländer mit Preisen wie in Westeuropa. Ihnen folgen inzwischen auch Montenegro und Albanien, die sich immer mehr von einstigen Geheimtipps zu Tourismus-Hotspots entwickeln.

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Gemein ist vielen Städten entlang der östlichen Adriaküste die Tatsache, dass sie vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein im Einflussbereich Venedigs standen. Als mächtige See- und Handelsmacht kontrollierte “La Serenissima”, wie die Republik auch genannt wurde, viele Küstenregionen im Rahmen der sogenannten Albania Veneta, womit vorab die dalmatinische und montenegrinisch-albanische Küste gemeint war. Besonders spürbar ist dies etwa in Zadar und Dubrovnik.
In Zadar prangt am Stadttor – zu römischen Zeiten der Haupteingang – heute noch der geflügelte Löwe von St. Markus. Aber auch sonst zeugen viele Bauwerke von der venezianischen Vergangenheit, etwa die Kathedrale, das Franziskaner-Kloster oder der Platz mit den Fünf Brunnen, die vor 500 Jahren erbaut wurden, um ausreichend Trinkwasser während Belagerungen zu garantieren.
Wie berechtigt diese Massnahme war, hatte sich schon früh in der Geschichte der Stadt im Rahmen des Vierten Kreuzzugs von 1202–1204 gezeigt. Da Venedig seinen Teil der Kosten dafür nicht allein berappen wollte, überredete der Doge die Kreuzritter, ihm beim Angriff auf die christliche Stadt Zadar zu helfen, die sich Venedig widersetzt hatte. Trotz des Protests von Papst Innozenz III. wurde Zadar 1202 belagert und geplündert – und Christen kämpften gegen Christen.
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Dubrovnik wiederum, einst bekannt als Ragusa, stand über Jahrhunderte in engem Kontakt mit der Republik Venedig. Zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert war die Stadt zeitweise unter venezianischer Vorherrschaft, was sich deutlich in der Architektur widerspiegelt – etwa an Festungen, Palästen und Stadtmauern im venezianisch-gotischen Stil. Trotz der Dominanz Venedigs bewahrte Dubrovnik über die Zeit eine bemerkenswerte Autonomie und entwickelte sich zu einer eigenständigen Seerepublik.
PS. für alle Fantasy-Fans: In Dubrovnik wurden Teile der Kultserie “Games of Thrones” gedreht.
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Spürbar ist der einstige Einfluss Venedigs auch in Montenegro und Albanien, etwa in Kotor, Budva und Herceg Novi respektive in Dürres und Shkodra, letztere eine Stadt, die ein wichtiger Aussenposten Venedigs war. Sie alle liegen an der Adriaküste, wobei heute vor allem das mittelalterliche Kotor zu einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Montenegros avanciert ist. Die Stadt liegt in einer fast 30 Kilometer langen fjordartigen Bucht, umrahmt von hohen Bergen.

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Prägend für die Ostküste der Adria sind allerdings vor allem schroffe Karstfelsen, karge Böden und eine oft spärliche, aber widerstandsfähige Vegetation. Zwischen den steinigen Hängen wachsen vor allem niedrige Sträucher, Macchia, Pinien und Kräuter wie Thymian und Rosmarin. Die raue, felsige Küste verleiht der Region ihren markanten, ursprünglichen Charakter.
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Deutlich grüner und vielfältiger als die Adriaküste zeigt sich die Landschaft im Landesinneren, insbesondere in Montenegro und Albanien. Fruchtbare Täler, dichte Laubwälder und bewaldete Berghänge mit Zypressen und Kastanien prägen das Bild. Die Region ist reich an Wasserläufen und Seen, was der Vegetation ein üppiges, fast mediterran-alpines Gepräge verleiht.
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Etwas Besonderes ist dabei der Skutarisee. Er ist der zweitgrösste See in Südosteuropa, erstreckt sich von Montenegro nach Albanien, steht unter Naturschutz, ist weitgehend naturbelassen und ein Paradies für Naturliebhaber, Fotografen und Vogelbeobachter.
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Nicht unweit von der Küste, aber deutlich im Landesinneren, liegen die Hauptstädte von Montenegro und Albanien, Podgorica und Tirana. Podgorica geht auf die römische Siedlung Doclea zurück, von der heute noch Ruinen zeugen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt durch Bombardierungen fast vollständig zerstört. Beim Wiederaufbau dominierte der nüchterne Stil der sozialistischen Architektur, was dem Stadtbild bis heute ein eher funktionales und wenig reizvolles Erscheinungsbild verleiht. Einige Zeugen der Geschichte aber haben sich gehalten, etwa kleine Moscheen sowie der Uhrturm aus osmanischer Zeit.
Tirana wiederum ist die Hauptstadt eines Volkes, das etwas plakativ als eines der Urvölker des Balkans bezeichnet werden kann. Die Albaner werden nämlich von vielen Wissenschaftlern als Nachfahren der illyrischen Bevölkerung betrachtet, die bereits in der Antike im westlichen Balkan siedelte. Im Gegensatz zu den slawischen Völkern, die erst im Frühmittelalter in die Region kamen, können die Albaner somit auf eine sehr lange Siedlungsgeschichte im Gebiet des heutigen Albaniens und Kosovos zurückblicken.
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Tirana wiederum ist die Hauptstadt eines Volkes, das etwas plakativ als eines der Urvölker des Balkans bezeichnet werden kann. Die Albaner werden nämlich von vielen Wissenschaftlern als Nachfahren der illyrischen Bevölkerung betrachtet, die bereits in der Antike im westlichen Balkan siedelte. Im Gegensatz zu den slawischen Völkern, die erst im Frühmittelalter in die Region kamen, können die Albaner somit auf eine sehr lange Siedlungsgeschichte im Gebiet des heutigen Albaniens und Kosovos zurückblicken.
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Ebenfalls an die kommunistische Herrschaft erinnern in Tirana darüber hinaus vor allem drei Bauwerke als Mahnmale: Hoxhas Villa mitten im Regierungsviertel, die „Villa Nr. 1″, Hauptsitz der Sigurimi, der Geheimpolizei des kommunistischen Regimes, und ein Bunkersystem im Zentrum, das heute als Museum die Geschehnisse und die politische Verblendung jener Zeit dokumentiert.
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Immerhin, seit dem Ende des Regimes öffnet sich Tirana zunehmend dem Westen und verwandelt sich langsam in eine lebendigere, farbenfrohere Metropole.