GefanĀ­gen im Neoliberalismus

OktoĀ­ber 2022. Der ProĀ­phet korĀ­riĀ­giert seiĀ­ne ProĀ­pheĀ­zeiĀ­ung: FranĀ­cis FukuĀ­yaĀ­ma, der 1992 mit seiĀ­nem Werk ā€žDas Ende der GeschichĀ­teā€œ den Sieg des LibeĀ­raĀ­lisĀ­mus verĀ­künĀ­deĀ­te, rƤumt ein, zu optiĀ­miĀ­stisch geweĀ­sen zu sein: Die soziaĀ­le UngleichĀ­heit sei enorm angeĀ­stieĀ­gen und vieĀ­len westĀ­liĀ­chen DemoĀ­kraĀ­tien droĀ­he Gefahr, konĀ­staĀ­tiert er in einem im ā€žSonnĀ­tagsĀ­Blickā€œ ver­öfĀ­fentĀ­lichĀ­ten VorĀ­abĀ­druck aus seiĀ­nem neuĀ­en Buch ā€žDer LibeĀ­raĀ­lisĀ­mus und seiĀ­ne Feindeā€œ.

Eines der HauptĀ­proĀ­bleĀ­me ortet der US-PoliĀ­tikĀ­wisĀ­senĀ­schafĀ­ter im ƶkoĀ­noĀ­miĀ­schen LibeĀ­raĀ­lisĀ­mus bzw. im NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus – also ausĀ­geĀ­rechĀ­net in jener IdeoĀ­loĀ­gie, die er mit seiĀ­ner HymĀ­ne auf die libeĀ­raĀ­le WeltĀ­ordĀ­nung vor 30 JahĀ­ren selbst gefƶrĀ­dert und defiĀ­niĀ­tiv in den AdelsĀ­stand der WirtĀ­schaftsĀ­wisĀ­senĀ­schaft gehoĀ­ben hatĀ­te. PoliĀ­tiĀ­ker wie die einĀ­stiĀ­gen StaatsĀ­chefs Ronald ReaĀ­gan und MarĀ­gaĀ­ret ThatĀ­cher, so FukuĀ­yaĀ­mas heuĀ­tiĀ­ger VorĀ­wurf, hƤtĀ­ten mit ihrer radiĀ­kaĀ­len AusĀ­leĀ­gung des wirtĀ­schaftĀ­liĀ­chen LibeĀ­raĀ­lisĀ­mus ƶkoĀ­noĀ­miĀ­sche, gesellĀ­schaftĀ­liĀ­che und demoĀ­kraĀ­tieĀ­poĀ­liĀ­tiĀ­sche FehlĀ­entĀ­wickĀ­lunĀ­gen verursacht. 

Fuku­ja­mas spä­te Einsicht

FukuĀ­jaĀ­ma hat damit nicht unrecht. Doch seiĀ­ne EinĀ­sicht kommt spƤt. Dass der entĀ­fesĀ­selĀ­te Markt – und dieĀ­ser ist nun einĀ­mal KernĀ­stück des ƶkoĀ­noĀ­miĀ­schen LibeĀ­raĀ­lisĀ­mus – alles andeĀ­re als ein Garant für DemoĀ­kraĀ­tie, MenĀ­schenĀ­rechĀ­te und ProĀ­speĀ­riĀ­tƤt ist, hƤtĀ­te er schon 1992 wisĀ­sen müsĀ­sen. Er hƤtĀ­te wisĀ­sen müsĀ­sen, dass der Markt blind ist und es für ihn kein GemeinĀ­wohl, keiĀ­ne GerechĀ­tigĀ­keit und keiĀ­ne soziaĀ­le, ƶkoĀ­loĀ­giĀ­sche und gesellĀ­schaftĀ­liĀ­che VerĀ­antĀ­worĀ­tung gibt. Sein einĀ­ziĀ­ger Antrieb ist die RenĀ­diĀ­te. Daher bedeuĀ­tet der freie Markt immer nur eines: Er macht die kleiĀ­ne Schicht der StarĀ­ken noch stƤrĀ­ker und die MasĀ­se der SchwaĀ­chen noch schwƤcher.

BevƶlĀ­keĀ­rung unter Druck

Und genau das ist in den letzĀ­ten JahrĀ­zehnĀ­ten gescheĀ­hen. Die neoĀ­liĀ­beĀ­ral geprƤgĀ­te GloĀ­baĀ­liĀ­sieĀ­rung hat weltĀ­weit eine kleiĀ­ne EliĀ­te enorm reich und mƤchĀ­tig gemacht. Sie konĀ­trolĀ­liert KonĀ­zerĀ­ne, FinanzĀ­inĀ­stiĀ­tuĀ­te und ganĀ­ze BranĀ­chen, übt ohne jede demoĀ­kraĀ­tiĀ­sche LegiĀ­tiĀ­maĀ­tiĀ­on EinĀ­fluss auf PoliĀ­tik und GesellĀ­schaft aus, steuĀ­ert BƶrĀ­sen und MƤrkĀ­te und spielt StaaĀ­ten gegenĀ­einĀ­anĀ­der aus. 

GleichĀ­zeiĀ­tig hat der NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus in den westĀ­liĀ­chen DemoĀ­kraĀ­tien zu einer EroĀ­siĀ­on der MitĀ­telĀ­klasĀ­se geführt. Mit dem Abbau des SoziĀ­alĀ­staaĀ­tes, der DereĀ­guĀ­lieĀ­rung des SerĀ­vice public, der LibeĀ­raĀ­liĀ­sieĀ­rung der ArbeitsĀ­mƤrkĀ­te, dem SteuĀ­erĀ­dumĀ­ping und der AusĀ­laĀ­geĀ­rung von WirtĀ­schaftsĀ­zweiĀ­gen in BilĀ­ligĀ­lohn-LƤnĀ­dern sank der LebensĀ­stanĀ­dard des unteĀ­ren DritĀ­tels der MitĀ­telĀ­klasĀ­se – vor allem in den USA, aber auch in den EU-LƤnĀ­dern und insĀ­beĀ­sonĀ­deĀ­re in Südeuropa.

Noch draĀ­maĀ­tiĀ­scher traf es die unteĀ­ren EinĀ­komĀ­mens- und BilĀ­dungsĀ­schichĀ­ten: Hier führĀ­ten die neoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­len RezepĀ­te zu PreĀ­kaĀ­riĀ­sieĀ­rung und soziaĀ­lem Abstieg. Die BetrofĀ­feĀ­nen komĀ­men trotz ArbeitsĀ­tä­tigĀ­keit kaum über die RunĀ­den, haben manĀ­gels soziĀ­alĀ­staatĀ­liĀ­cher FƶrĀ­deĀ­rung kaum PerĀ­spekĀ­tiĀ­ven und leben hƤuĀ­fig abgeĀ­drƤngt und abgeĀ­hƤngt in strukĀ­turĀ­schwaĀ­chen Regionen. 

Der entĀ­machĀ­teĀ­te Wohlfahrtsstaat

Schuld darĀ­an ist die vom NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus vorĀ­anĀ­geĀ­trieĀ­beĀ­ne EntĀ­machĀ­tung des WohlĀ­fahrtsĀ­staaĀ­tes. Die LobĀ­byĀ­isten von KonĀ­zerĀ­nen und WirtĀ­schaftsĀ­verĀ­bƤnĀ­den haben es – sekunĀ­diert von WirtĀ­schaftsĀ­wisĀ­senĀ­schaft und OrgaĀ­niĀ­saĀ­tioĀ­nen wie WeltĀ­bank, InterĀ­naĀ­tioĀ­naĀ­ler WƤhĀ­rungsĀ­fonds (IWF) und WeltĀ­hanĀ­delsĀ­orĀ­gaĀ­niĀ­saĀ­tiĀ­on (WTO) – geschafft, den ƶffentĀ­liĀ­chen SekĀ­tor und das VolksĀ­verĀ­mö­gen in den westĀ­liĀ­chen LƤnĀ­dern zu priĀ­vaĀ­tiĀ­sieĀ­ren und eine GesetzĀ­geĀ­bung zu instalĀ­lieĀ­ren, welĀ­che die InterĀ­venĀ­tiĀ­onsĀ­macht des WohlĀ­fahrtĀ­staaĀ­tes und desĀ­sen HandĀ­lungsĀ­fä­higĀ­keit in wirtschafts‑, finanz‑, steuĀ­er- und soziĀ­alĀ­poĀ­liĀ­tiĀ­schen FraĀ­gen stark beschneiĀ­det. Der moderĀ­ne demoĀ­kraĀ­tiĀ­sche Staat, gedacht als InstruĀ­ment zur gerechĀ­ten VerĀ­teiĀ­lung von WohlĀ­stand, ist heuĀ­te oft bloss noch VollĀ­zugsĀ­geĀ­hilĀ­fe der Wirtschaftseliten.

Geschwäch­te Demokratie

Dass dies nicht ohne Fol­gen blei­ben wür­de, war vor­her­seh­bar. Dazu gehört zum einen, dass der Neo­li­be­ra­lis­mus die west­li­chen Demo­kra­tien geschwächt hat. Die Pre­ka­ri­sie­rung der unte­ren Schich­ten, die Angst der Mit­tel­klas­se vor Wohl­stands­ver­lust und die bit­te­re Ein­sicht vie­ler Eltern, dass es ihren Kin­dern der­einst nicht bes­ser gehen wird, hat in vie­len west­li­chen Län­dern zu einer poli­ti­schen Pola­ri­sie­rung geführt und den Auf­stieg faschi­sto­ider Bewe­gun­gen begün­stigt, wie sich jüngst mit dem Wahl­sieg der Post­fa­schi­sten in Ita­li­en zeig­te. Der Neo­li­be­ra­lis­mus ent­puppt sich damit als Nähr­bo­den für Faschis­mus und Autoritarismus.

SystemĀ­imĀ­maĀ­nenĀ­tes Marktversagen

Zum ande­ren hat der Neo­li­be­ra­lis­mus ein wirt­schaft­li­ches Hoch­ri­si­ko-System eta­bliert. Bewusst wur­de uns dies erst­mals 2008 mit der inter­na­tio­na­len Ban­ken­kri­se. Was damals geschah, wie­der­holt sich seit­her in immer kür­ze­ren Abstän­den. Ob Coro­na-Kri­se, Lie­fer­ket­ten-Pro­ble­me oder Ukrai­ne-Krieg: Der Staat sieht sich zum Schutz der Bevöl­ke­rung immer wie­der genö­tigt, gan­ze Wirt­schafts­zwei­ge zu retten.

Der­art ver­letz­lich ist das System, weil die Unter­neh­men getreu der neo­li­be­ra­len Leh­re zur Gewinn­ma­xi­mie­rung ohne Reser­ven geschäf­ten. Es fehlt ihnen an Resi­li­enz. Und das macht das Markt­ver­sa­gen system­im­ma­nent. Die Zeche dafür zahlt die Bevöl­ke­rung über höhe­re Abga­ben, Kür­zun­gen bei den öffent­li­chen Dienst­lei­stun­gen und einem Anstieg der Staatsverschuldung.

SteigĀ­bü­gelĀ­halĀ­ter für ChiĀ­na & Co.

Und schliessĀ­lich hat der NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus die westĀ­liĀ­che Welt auch straĀ­teĀ­gisch in eine gefƤhrĀ­liĀ­che Lage manö­vriert. Denn ausĀ­geĀ­rechĀ­net die neoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­le WTO war es, die autoĀ­riĀ­tä­ren und demoĀ­kraĀ­tieĀ­feindĀ­liĀ­chen LƤnĀ­dern wie ChiĀ­na und RussĀ­land den Zugang zum gloĀ­baĀ­len Markt verĀ­schaffĀ­te und es ihnen damit ermƶgĀ­lichĀ­te, eine WirtĀ­schaftsĀ­kraft zu erlanĀ­gen, die sie nun gegen den Westen richĀ­ten. Dies gilt insĀ­beĀ­sonĀ­deĀ­re für ChiĀ­na. BlinĀ­der MarktĀ­glauĀ­be, verĀ­packt in der wohlĀ­klinĀ­genĀ­den FlosĀ­kel ā€žWanĀ­del durch HanĀ­delā€œ, führĀ­te dazu, dass ChiĀ­na zur WerkĀ­bank der Welt emporĀ­stieg, sich enorĀ­men techĀ­noĀ­loĀ­giĀ­schen Know-how aneigĀ­neĀ­te, einen StaatsĀ­kaĀ­piĀ­taĀ­lisĀ­mus sonĀ­derĀ­gleiĀ­chen etaĀ­blierĀ­te und sich nun aufĀ­macht, eine WeltĀ­macht mit gloĀ­baĀ­lem FühĀ­rungsĀ­anĀ­spruch zu werden. 

Wir ā€žtickenā€œ neoliberal

Vor dieĀ­sem HinĀ­terĀ­grund wƤre zu erwarĀ­ten, dass PoliĀ­tik, UniĀ­verĀ­siĀ­tä­ten, und DenkĀ­faĀ­briĀ­ken die neoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­le WirtĀ­schaftsĀ­ordĀ­nung hinĀ­terĀ­fraĀ­gen und sich GedanĀ­ken machen über alterĀ­naĀ­tiĀ­ve WirtĀ­schaftsĀ­moĀ­delĀ­le. Doch wer dies hofft, wird entĀ­tƤuscht. Die KriĀ­tik am NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus prallt seit JahrĀ­zehnĀ­ten wie Regen an einer imprä­gnierĀ­ten PeleĀ­riĀ­ne ab. HauptĀ­grund dafür ist, dass die TheoĀ­rie des angebĀ­lich segensĀ­reiĀ­chen freiĀ­en MarkĀ­tes derĀ­art simĀ­pel, einĀ­gƤnĀ­gig, leicht erklƤrĀ­bar und zwinĀ­gend erscheint, dass sie sich tief in unseĀ­re KƶpĀ­fe einĀ­geĀ­graĀ­ben hat – so nachĀ­weisĀ­lich falsch und verĀ­heeĀ­rend sich dieĀ­se IdeoĀ­loĀ­gie auch ausĀ­geĀ­wirkt hat.

–
–- so nachĀ­weisĀ­lich falsch und verĀ­herĀ­rend sie sich auch ausĀ­geĀ­wirkt hat.

Die allerĀ­meinĀ­sten von uns – von den EliĀ­ten über die WisĀ­senĀ­schaft bis hin zu breiĀ­ten BevƶlĀ­keĀ­rungsĀ­schichĀ­ten – ā€žtickenā€œ reflexĀ­arĀ­tig neoĀ­liĀ­beĀ­ral. Dass es dazu AlterĀ­naĀ­tiĀ­ven geben kƶnnĀ­te, liegt für eine groĀ­sse MehrĀ­heit jenĀ­seits ihrer VorĀ­stelĀ­lungsĀ­kraft. Das erleĀ­ben wir tƤgĀ­lich: DeutschĀ­lands BunĀ­desĀ­kanzĀ­ler Olaf Scholz etwa lobt aller KriĀ­sen zum Trotz die neoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­le GloĀ­baĀ­liĀ­sieĀ­rung als einĀ­ziĀ­ges Modell für WachsĀ­tum und WohlĀ­stand. Oder: Kaum im Amt, verĀ­sucht die briĀ­tiĀ­sche PreĀ­mierĀ­miĀ­niĀ­steĀ­rin Liz Truss nicht weniĀ­ger, sonĀ­dern mehr NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus durchĀ­zuĀ­setĀ­zen. Und: Der IWF empĀ­fiehlt im Kampf gegen die TeueĀ­rung getreu der neoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­len TheoĀ­rie, nur gezielt den ƄrmĀ­sten zu helĀ­fen, obwohl geraĀ­de dieĀ­se Art der NotĀ­hilĀ­fe mit der PipetĀ­te zur EroĀ­siĀ­on der MitĀ­telĀ­klasĀ­se geführt hat.

Selbst TeiĀ­le der Grü­nen und der SoziĀ­alĀ­deĀ­moĀ­kraĀ­tie kƶnĀ­nen sich – trotz aller negaĀ­tiĀ­ven ErfahĀ­runĀ­gen mit LabourĀ­chef Toni Blairs DritĀ­ten Weg in GrossĀ­briĀ­tanĀ­niĀ­en und GerĀ­hard Schrö­ders Hartz-4-ReforĀ­men in DeutschĀ­land – dieĀ­sem DenĀ­ken oft nicht entĀ­zieĀ­hen. Das gilt zum BeiĀ­spiel in der UmweltĀ­poĀ­liĀ­tik: Mit der BepreiĀ­sung von UmweltĀ­gü­tern, mit der EinĀ­fühĀ­rung von LenĀ­kungsĀ­abĀ­gaĀ­ben und der FƶrĀ­deĀ­rung von UmweltĀ­techĀ­noĀ­loĀ­gie mitĀ­tels SteuĀ­erĀ­abĀ­zü­ge greiĀ­fen sie zu klasĀ­siĀ­schen neoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­len AnreizĀ­moĀ­delĀ­len und tun damit das, was sie eigentĀ­lich nicht beabĀ­sichĀ­tiĀ­gen: Sie belaĀ­sten damit ausĀ­geĀ­rechĀ­net die unteĀ­ren SchichĀ­ten, statt die hohen EinĀ­komĀ­men in die Pflicht zu nehmen.

PiketĀ­tys Gegenentwurf

Dabei gibt es sehr wohl AlterĀ­naĀ­tiĀ­ven zum NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus. Das hat der franĀ­zö­siĀ­sche ƖkoĀ­nom ThoĀ­mas PiketĀ­ty in seiĀ­nem 2014 erschieĀ­nen Werk ā€žDas KapiĀ­tal im 21. JahrĀ­hunĀ­dertā€œ einĀ­drückĀ­lich belegt. BasieĀ­rend auf seiĀ­nen AnaĀ­lyĀ­sen plä­diert er dafür, dem Staat wieĀ­der eine zenĀ­traĀ­le RolĀ­le bei der gerechĀ­ten VerĀ­teiĀ­lung des WohlĀ­stanĀ­des zu überĀ­traĀ­gen und in einer moderĀ­nen Form zurückĀ­zuĀ­kehĀ­ren zu einem WohlĀ­fahrtsĀ­staat mit soziaĀ­ler MarktĀ­wirtĀ­schaft und einem soziĀ­al gerechĀ­ten Steuersystem.

Dass es Alter­na­ti­ven gibt, zeigt auch die poli­ti­sche Rea­li­tät der letz­ten Jah­re: Denn was die west­li­chen Demo­kra­tien bis­her zur Bewäl­ti­gung der jüng­sten Kri­sen unter­nah­men, ent­sprach viel­fach der von Tho­mas Piket­ty gefor­der­ten staat­li­chen Umver­tei­lung zugun­sten der brei­ten Bevöl­ke­rung, ver­knüpft mit keyne­sia­ni­scher Kon­junk­tur- und Inter­ven­ti­ons­po­li­tik. Ob es um den Auf­kauf von Schrott­ak­ti­en durch die Noten­ban­ken wäh­rend der Finanz­kri­se, um sozia­le und wirt­schaft­li­che Hilfs­pro­gram­me wäh­rend des Lock­downs oder um eine Liqui­di­täts­si­che­rung für die Ener­gie­bran­che wegen des Ukrai­ne-Kriegs ging: All die­se Mass­nah­men kom­men in der neo­li­be­ra­len Theo­rie gar nicht vor. Aber sie waren es, wel­che die Wirt­schaft bis­her stabilisierten.

FranĀ­cis FukuĀ­yaĀ­ma negiert dies in seiĀ­nen InterĀ­views und im VorĀ­abĀ­druck aus seiĀ­nem neuĀ­en Buch nicht. Doch das ProĀ­blem sieht er nicht im LibeĀ­raĀ­lisĀ­mus, sonĀ­dern in desĀ­sen falĀ­schen ReaĀ­liĀ­sieĀ­rung und in den GegenĀ­beĀ­weĀ­gunĀ­gen, die er ausĀ­geĀ­lƶst hat. DarĀ­um geht es ihm auch nicht um KriĀ­tik am LibeĀ­raĀ­lisĀ­mus und am freiĀ­en Markt, sonĀ­dern um deren VerĀ­teiĀ­diĀ­gung – ganz nach der DeviĀ­se: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Genau so funkĀ­tioĀ­niert IdeoĀ­loĀ­gie. Mit der FolĀ­ge, dass die lƤngst fƤlĀ­liĀ­ge DebatĀ­te über eine neue, gerechĀ­teĀ­re und den MenĀ­schen dieĀ­nenĀ­de WirtĀ­schaftsĀ­ordĀ­nung einĀ­mal mehr in weiĀ­te FerĀ­ne rückt.

WalĀ­ter Langenegger

Mehr aus meinem Blog

DIE ANDE­RE ADRIA-KÜSTE

Mit der Adria assoĀ­ziĀ­iert man in der Regel die OstĀ­kü­ste ItaĀ­liĀ­ens mit StƤdĀ­ten wie VeneĀ­dig, RimiĀ­ni, AncoĀ­na und Bari. Aber es gibt freiĀ­lich auch noch

weiterlesen

Das GegenĀ­mitĀ­tel zum Faschismus

Uns droht ein ZeitĀ­alĀ­ter des FaschisĀ­mus. Wie ein Virus infiĀ­ziert er die westĀ­liĀ­chen DemoĀ­kraĀ­tien. Die WurĀ­zeln dieĀ­ses Übels lieĀ­gen im NeoĀ­liĀ­beĀ­raĀ­lisĀ­mus – er brachĀ­te extreme

weiterlesen
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner