Drei Tageswanderungen in Andorra: Vom Reiz, während des Tages im Hochgebirge mit meditaranem Klima auf Schusters Rappen unterwegs zu sein und abends in einer riesigen Shopping-Meile spazieren zu gehen …
September 2025. Max Frischs Andorra hat mit dem realen Andorra, dem zwischen Spanien und Frankreich in den östlichen Pyrenäen gelegenen Zwergstaat, zumindest vordergründig nichts zu tun. Ganz zufällig dürfte der bekannte Schweizer Schriftsteller den Namen für sein Drama aber wohl doch nicht gewählt haben – denn gewisse Parallelen lassen sich erkennen.
So ist Andorra eine Steueroase. Das lockt zum einen Touristen an, die hier zu Duty-Free-Preisen einkaufen können. Das Resultat davon: Kernstück der Stadt Andorra ist eine grosse, schnurgerade angelegte Shopping-Meile, in der es alles, was es an Teureres und Schönes gibt. Zum anderen zieht Andorras Tiefsteuer-Politik viele Briefkastenfirmen sowie Vermögende an, insbesondere aus Deutschland, den Niederlanden und Grossbritannien, die hier massiv Steuern sparen können.
Andorra ist heute sodann ein Einwanderungsland: Fast zwei Drittel der Bevölkerung in dem katalansich sprechendem Bergstaat stammen aus dem Ausland, vielfach aus Argentinien, Marokko oder den Philippinen. Die meisten arbeiten in der Hauptbranche des Pyrenäenstaates – im Fremdenverkehr, insbesondere im Wintertourismus.
Tiefe Steuern, Duty-Free-Angebote, Wintertourismus und Migration: Dies hat Andorra reich gemacht. Das zeigt sich im ganzen Land: moderne Infrastruktur, gepflegte Bausubstanz, Bauboom in der Hauptstadt und kaum Kriminalität.
All das findet sich eingebettet in eine reizvolle hochalpine Landschaft, die zum Wandern einlädt. Die unteren Lagen sind mediterran beeinflusst, geprägt von Eichenwäldern, weiter oben folgen Pinien- und Tannenwälder. Über 1600 Metern bestimmen Kiefern, Birken und anschliessend Alpweiden das Bild. Die Berge ragen teils über 2800 Meter hoch, die Täler sind eng und von steilen Flanken eingefasst, sodass sich die Sonne oft erst spät zeigt.
Das schmälert das Wandervergnügen jedoch kaum. Zwar sind die Wege oft nur spärlich ausgeschildert, die wichtigen Routen lassen sich dennoch gut finden. Im Sommer sind zudem mehrere Berghütten bewirtschaftet.
Kurzum: Eine Stippvisite lohnt sich allemal.
Vom Vall D’Incles zur Berghütte Juclar und dem gleichnamigen Bergsee: Parkplatz findet man nach einer idyllischen Fahrt dem Tal hinaus am Ende der Strasse an der Brücke de la Baladosa auf rund 1800 Meter Höhe. Nach einer eher gemächlichen ersten Hälfte steigt der Weg, der dem Jucla-Bergbach folgt, steil an und führt über felsiges und steiniges Gelände bis zur Berghütte. Als Alternative zum Hinweg bietet ich ein Pfad auf der nördlichen Bergflanke bis ins kleine Nachbartal zum Riu del Manegor und von dort zurück zum Parkplatz. Die reine Wanderzeit beläuft sich auf drei bis vier Stunden.
Die Seen am Fusse des Pic dels Pessons. Südlich der Skipisten von Grandvalira-Grau Roig findet sich ein mit grösseren und kleineren Bergseen und Mooren übersähtes Hochplateau. Landschaftlich ist die Rundwanderung sehr reizvoll. Allerdings wird es dem Wanderer nicht leicht gemacht, bis ans Plateau zu gelangen: Man muss zu einem beträchtlichen Teil über Wege gehen, die im Winter als Skipisten genutzt werden. Und nichts ist hässlicher als Skipisten im Sommer. Hinzu kommt: Die Wanderwege sind anspruchsvoll, weil sie über steiniges und felsiges Gelände führen, was mit der Zeit gehörig in die Knochen geht. Daher braucht es Ausdauer. Wanderdauer: gut vier bis fünf Stunden.
Über den Parc Natural de la Vall de Sorteny zum Blau-Bergsee auf der französischen Seite: Andorra hat zwei Nationalparks, einer davon ist das Gebiet im Sorteny-Tal. Vom Parkplatz Mijador del Grau de la Llosa wandert man zunächst dem Riu de Rialb mit mässiger Steigung entlang, bis der Weg rechts abzweigt hinauf zum Port de Siguer auf 2400 Meter Höhe. Dieser Bergsattel markiert hier die Grenze zu Frankreich. Den Bergsee mit seinem dunkelblauen Wasser und umrahmt von einer herrlichen hochalpinen Landschaft erreicht man dann nach einem gut 20minütigen Abstieg. Wanderzeit: gut vier Stunden.