WAN­DERN IM EMMENTAL

Den­ke ich ans Emmen­tal, kommt mir sogleich der Pfar­rer und Dich­ter Jere­mi­as Gott­helf in den Sinn. In sei­nem Werk „Die Was­ser­not im Emmen­tal“ beschrieb er mit ergrei­fen­der und kraft­vol­ler Spra­che die Ver­hee­run­gen der Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phe im Jahr 1837 sowie das Lei­den, das Elend, die Ohn­macht und die Furcht der bäu­er­li­chen Bevöl­ke­rung in jenem dra­ma­ti­schen Sommer.

Wan­dert man heu­te durchs Emmen­tal, kann man sich die dama­li­ge Not kaum vor­stel­len. Die von sanf­ten Tälern und wei­ten Wie­sen und Wäl­dern gepräg­te hüge­li­ge Land­schaft prä­sen­tiert sich mit sei­nen typisch ale­man­ni­schen Streu­sied­lun­gen als ein lieb­li­cher, reiz­vol­ler und fried­li­cher Flecken auf Got­tes Erde. Blick man von den vie­len Hügeln hin­ab ins Land auf die Bau­ern­häu­ser, die mit ihren alles unter sich ver­ei­nen­den rie­si­gen Dächern aus­se­hen wie gewal­ti­ge brü­ten­de Hen­nen, so könn­te man mei­nen, die Zeit sei hier stillgestanden.

Aller­dings, bei nähe­rem Hin­se­hen ändert sich die­ser Ein­druck rasch. Die Idyl­le weicht schnell der Bana­li­tät des All­tags. Das Emmen­tal ist wie alle ande­ren agra­risch genutz­ten Land­stri­che in der Schweiz und anders­wo bäu­er­li­ches Indu­strie­land. Die Bau­ern­hö­fe sind ein Ver­schnitt zwi­schen urchiger Tra­di­ti­on und indu­stri­el­lem Betrieb mit Maschi­nen­park, Mas­sen­tier­hal­tung und Beton. Die Dör­fer, in denen sich oft dich­te Blech­ko­lon­nen quä­len, ver­mit­teln die Stim­mung von Agglo­me­ra­ti­on und Zer­sie­de­lung. Und die mei­sten Aus­flugs­bei­zen ver­strö­men den wenig attrak­ti­ven Charme der 70er- und 80er-Jah­re mit Pla­stik­stüh­len und ‑Tischen und Son­nen­schir­men mit Glacewerbung.

Und trotz­dem: Ein­mal abseits von Dör­fern und Teer­stra­ssen ver­spricht das Emmen­tal aus­ge­dehn­te und beschau­li­che Wan­de­run­gen mit immer neu­en und über­ra­schen­den Aus­blicken aufs Mit­tel­land, die Ber­ner Alpen und den Jura, mit lau­schi­gen Plät­zen zum Aus­ru­hen und viel Ruhe und Erholung.

Im Fol­gen­den ein paar Impressionen:

Rund­weg von Fankhaus auf dem Napf und zurück / Mai 2023. Wenn im Gebir­ge des Ober­lan­des noch tie­fer Schnee liegt, wäh­rend es im Vor­al­pen­ge­biet bereits präch­tig zu grü­nen beginnt, dann sind das Emmen­tal im Kan­ton Bern und das Ent­le­buch im Kan­ton Luzern bestens geeig­ne­te Regio­nen, um sich für die nahen­de Wan­der­sai­son sozu­sa­gen „auf­zu­wär­men“. Eine schö­ne, rund vier­stün­di­ge Tour dafür liegt im Napf­ge­biet. Aus­gangs­punkt ist Fankhaus, nörd­lich von Trub­schach­en, mit­ten im Trueb-Tal. Von hier aus kann man dem Grat der öst­li­chen Berg­flan­ke hin­auf­wan­dern durch Wie­sen, Wei­den und Wäl­der bis hin­auf zum 1400 Meter über Meer lie­gen­den Napf, wo eine Wet­ter­sta­ti­on ein­ge­rich­tet ist und ein Gast­haus zur Ein­kehr ein­lädt. Beein­druckend auf dem Napf ist die Weit­sicht. Wenn man Glück hat und kla­res Wet­ter erwischt, kann man von hier aus bis zum Sän­tis im Alp­stein und dem Schwarz­wald blicken. Der Rück­weg führt anschlie­ssend über den Grat der gegen­über­lie­gen­den Berg­flan­ke durch das Napf­berg­land ent­lang der Gren­ze zu Luzern mit abwechs­lungs­rei­chen Aus­sich­ten auf das Ent­le­buch und den Streu­sied­lun­gen, deren Bau­ern­häu­ser und Scheu­nen den Ein­druck erwecken, als habe sie jemand aus einem gro­ssen Sack hin­aus­ge­schüt­telt und über die Land­schaft verteilt.

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